"Barbaren", Netflix
Zeitbudget: sechs Folgen à 50 Minuten (Gucken Sie das bloß nicht)
Für Fans von: "Der Untergang des Römischen Reiches"
Sprechen die Römer in dieser Serie doch tatsächlich Latein. Das ist mal gewagt. Ernsthaft. Ist es für deutsches Fernsehen ja tatsächlich, oder können Sie sich das bei ARD und ZDF vorstellen? Im Fall von "Barbaren", diesem Möchtegern-Serienhighlight um den Kampf zwischen Germanen und römischen Besatzern, war es das dann aber auch in Sachen Innovation.
Der große Vorteil der Dialoge auf Latein ist es, dass sie zumindest schön klingen - und nicht so hölzern wie die auf gestochenem Hochdeutsch vorgetragenen. So weit, die Zuschauer auch mit schönstem Urgermanisch zu verwöhnen, geht bei Netflix der Wille zur Authentizität dann doch nicht. Wäre besser gewesen, aber auch schwierig, man weiß ja kaum etwas über diesen Cheruskerfürsten Arminius, der erst den Römern diente, dann die Seiten wechselte und die Schlacht im Teutoburger Wald anzettelte. Also malen sich die "Barbaren"-Macher die Welt der Antike, wie sie ihnen gefällt. Heraus kommt eine Germanen-Soap, in der Arminius, seine spätere Frau Tusnelda und ein erfundener germanischer Krieger ein Liebesdreieck bilden, das die Geschichte ins Rollen bringt. Rollen tun auch reichlich Köpfe. Männer mit lustigen Zopffrisuren und in hübschen Kleidern schwören grunzend Rache, Platz für jede Menge Pathos ist auch – wie es sich für eine Serie gehört, die offensichtlich Vorbildern wie "Vikings" und "The Last Kingdom" nacheifert. Dummerweise sieht "Barbaren" streckenweise so aus, als probe hier eine Laienspielgruppe im Freilichtmuseum, was der Sache mit dem Pathos eine unfreiwillige Komik verleiht. Das hat zumindest den Vorteil, dass man dann auch nicht das aufgeplusterte und mit dämlicher Kriegsrhetorik vollgestopfte Finale ernst nehmen muss.
"Wir sind jetzt", Staffel 2, TVNow
Zeitbudget: vier Episoden à 45 Minuten
Für Fans von: "Druck", "Euphoria"
Der schwierigste Spezialeffekt beim Filmemachen ist nicht ein computergeneriertes Schlachten-Tableau, sondern das Herstellen des Gefühls von Intimität und Natürlichkeit. Woran "Barbaren" scheitert, schafft "Wir sind jetzt" auf bemerkenswert leichthändige Weise. Regisseur Christian Klandt zeigte schon mit seinem Film "Little Thirteen", wie man sich Teens filmisch nähert, ohne sie zum Opfer von Schaulust zu machen. Nun geht es um die 17-jährige Laura, furchtlos emotional gespielt von einer gereiften Lisa-Marie Koroll aus "Bibi und Tina". Die erste Staffel zeichnete sich durch einen mutigen Bruch in Stimmung und Dramaturgie aus, Laura musste da mit einem tragischen Todesfall fertig werden. Die Fortsetzung spielt nun einen Monat später auf einem sonnendurchfluteten Campingplatz, die Stimmung ist leichter, es geht um Teeniesachen wie Liebe, Freundschaft und Triebabfuhr. Aber der Mut zum großen Gefühl ist geblieben. Und Erwachsene sind weiterhin so gut wie abwesend, weshalb das verzweifelte Ringen der Kids um ihren Platz in der Welt umso ergreifender wirkt. Die erste Staffel startete mit schlechten Quoten, aber diese Serie hat definitiv Zuschauer verdient.
"On The Rocks", Apple TV+
Zeitbudget: 90 Minuten
Für Fans von: "Lost in Translation", "Manhattan"
Anfang Oktober lief der neue Film von Sofia Coppola fast unbemerkt in einigen wenigen Kinos. Das ist seit Beginn der Pandemie ja leider nicht mehr so ungewöhnlich, hier aber zusätzlich der Tatsache geschuldet, dass der Film für Apples Streamingdienst entstand. Dort ist die Komödie um eine Frau, die ihrem möglicherweise untreuen Mann mit Papas Hilfe hinterherspioniert, nun zu sehen. Das sollten vor allem Bill-Murray-Fans nicht verpassen - es ist Coppolas zweiter mit ihm nach "Lost in Translation". Auch New-York-Liebhaber kommen hier auf ihre Kosten, wie mein Kollege Wolfgang Höbel in seiner ausführlichen Kino-Kritik schrieb. Außerdem geht es ihm zufolge um interessante Fragen wie diese: "Warum haben Menschen, die einander lieben und sich ewige Treue schwören, trotzdem so oft mit anderen Leuten Sex?"
"Es war einmal ein Schneemann", Disney+
Zeitbudget: acht Minuten
Für Fans von: Anna und Elsa, Sigmund Freud
Disney hat die unangenehme Angewohnheit, Eigenwerbung als kreative Leistung zu verkaufen. Unablässig wird auf der konzerneigenen Streaming-Plattform hinter die Kulissen geschaut, in Serien wie "Ein Tag bei Disney" oder "Die Imagineering Story". Immer feiert der Konzern dabei sich selbst. Der Kurzfilm "Es war einmal ein Schneemann" ist eigentlich auch nichts anderes als PR, er soll natürlich Werbung machen für die beiden "Eiskönigin"-Filme. Aber in diesem Fall ist tatsächlich große Kunst daraus entstanden. Olaf hat vor allem im zweiten Kinofilm grandiose Auftritte als Schneemann in der Identitätskrise, und auch hier fragt er sich beständig: Wer bin ich eigentlich? Dabei hilft natürlich die Suche nach einer passenden Nase. Obwohl "Es war einmal ein Schneemann" nicht mehr ist als eine Skizze, zeigt er doch die wahre Magie, die Animationsfilmen innewohnen kann: Große Menschheitsfragen in Form von berauschendem Slapstick zu stellen.
Und die Kritik zum neuen "Tatort"? Finden Sie hier.
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